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16. März 2017

Tipps vom Kommunikationstrainer für unfaire Angriffe

Wie mit Erdogan, so die Kämpfe in der Führungsetage

 

Tipps vom Kommunikationstrainer für unfaire Angriffe

ErdoganUnbestreitbar, die deutsche Regierung befindet sich mit der türkischen Regierung Erdogan in einem heftigen Konflikt. Und oft erleben wir so etwas Ähnliches auch in deutschen Führungsetagen. Es wird mit harten Bandagen gekämpft, unfair beschuldigt, erpresst und „gemordet“. Muss man sich alles gefallen lassen? Wie hart soll man, muss man zurückschlagen? Der Kommunikationstrainer kennt Auswege.

 

 

Ein Konflikt ist per Definition meist eine extrem komplexe Sache. Konflikte sind Tendenzen, die gleichzeitig in gegensätzliche Richtungen weisen, deren Verwirklichung aber voneinander abhängt. Da die Interessen nicht zum selben Zeitpunkt realisiert werden können, erzeugen Konflikte Spannungen und Handlungsdruck.

Immer wenn es komplex wird, verfällt das menschliche Gehirn in einen „Default“-Modus. Oft zeigt der Betroffene dann ein Verhalten, dass sich in frühester Kindheit als erfolgreich erwiesen hat, für Erwachsene aber nicht unbedingt angemessen ist. Wir werden bockig, wir schreien herum, wir werfen mit Spielzeug, wir beleidigen, wir beschuldigen, wir kämpfen, notfalls hinten rum und unfair. Aber das alles ist nur selten hilfreich.

Auf genau diesem Niveau sind wir jetzt mit Erdogan. Und keiner weiß so recht, wie man jetzt reagieren sollte? Nicht jeder Betroffene von einem Konflikt ist in den Werkzeugen der Konfliktkommunikation geschult. Das gilt selbst für rhetorisch gut geschulte Politiker. Soll man, muss man, hart auf die Nazi-Vergleiche reagieren? Muss man auf die gewaltvoll vorgebrachten Forderungen reagieren, wo man sich doch so erpressbar gemacht hat? Der eine Minister fordert, so etwas dürfe man sich nicht gefallen lassen! Der andere Minister fordert, man müsse jetzt eher auf Diplomatie und sanfte Töne setzen und aufeinander zu gehen. Und die Kanzlerin schweigt.

Um diese Herausforderung emotional spürbarer zu machen, übertragen wir sie auf Ihren Businessalltag. Wie würden Sie reagieren? Sie als Top-Führungskraft in Ihrem Unternehmen würden angegriffen von einer anderen Führungskraft, die ihre eigenen Interessen gegen Sie durchsetzen will: Sie würden erpresst, öffentlich verunglimpft, beleidigt und beinahe nachvollziehbar beschuldigt. Was würden Sie tun, sich verteidigen? Gegenangriff? Oder ohne Widerspruch ein offensichtlich aussichtslose Gespräch versuchen? Wie oft? Schließlich gilt doch die Konfliktregel Deeskalation statt weiterer Eskalation. Aber hätte das nicht Nachteile für Sie? Ein paar Kommunikationsregeln vom Kommunikationstrainer helfen hier vielleicht!

In der Wirkung auf Andere gilt oft der Grundsatz: Wer sich verteidigt klagt sich an. In diesem Sinne, sollten Sie möglichst viele Angriffe und Beleidigungen zunächst an sich vorbeiziehen lassen, ohne dass Sie sich getroffen zeigt. Heftige Reaktionen auf Beleidigungen kennen wir doch nur von empfindlichen Kleingeistern. Und wer will schon als Kleingeist dastehen. Mit einer zu heftigen, sehr emotionalen Reaktion stellen Sie sich schnell ins Abseits. Der Andere hätte gewonnen. Souverän ist etwas anderes. Dazu eine Übung vom Kommunikationstrainer: Man kann dazu gut sich selbst visualisieren, wie Pfeile auf einen abgeschossen werden, denen man durch kleine elegante Bewegungen mit Leichtigkeit ausweicht. Genauso braucht es nur eine kleine (innere) Bewegung um den scharfen Worten auszuweichen und nicht verletzt zu werden. Erinnern Sie sich an Menschen aus der Geschichte, die Ihnen bei Stichwort souverän einfallen: Vielleicht Obama, vielleicht Helmut Schmidt, vielleicht Gandhi. Sind die bei einer kindischen Beleidung gleich an die Decke gegangen? Wenn die Presse nachfragt genügt ein kurzes Statement „Man muss nicht auf jede ungerechtfertigte Beleidung von jeder unbedeutenden Seite reagieren.“ Das fände ich souverän. Menschen mit einem kleinen Selbstwertgefühl regieren da ganz anders. Sie fordern Genugtuung. Und schon wird alles schlimmer.

Anderseits muss man Unwahrheiten und falsche Anschuldigungen deutlich klarstellen. Insbesondere für die türkische Presse (oder für meinen eigenen Vorstand) würde ich etwas deutlicher reagieren. „Wir haben die Vorwürfe von Nazimethoden gehört und sehr genau hingesehen. Wir Deutschen wissen besser als jeder andere Staat, was Nazi-Methoden sind. Das sind zum Beispiel: Einseitiges aufhetzen der Massen, Opposition drangsalieren, politische Gegner und unliebsame Presse einsperren, bekämpfen einer eigenen Volksgruppe. Wir sehen genau wo das derzeit geschieht. Bei uns ist das nicht.“ Im Weiteren überlassen wir es den intelligenten Zuhörern von allein darauf zu kommen, wer hier im Recht ist und wer im Unrecht. Indem wir einen direkten Angriff unterlassen, vermeiden wir einigermaßen eine weitere Eskalation an dieser Stelle. Aber Tatenlos sind wir damit nicht. Im Gegenteil, wir spielen jeden Ball, unsererseits ohne jede Aggression, in die Gegnerische hälfte zurück.

Um Missverständnisse und weitere Eskalation zu vermeiden, könnte man die Technik des Kontrastierens nutzen. Hier sagt man deutlich, wie man nicht missverstanden werden will und was man eigentlich erreichen will. Beispiel: „Wir wollen dem türkischen Volk nicht schaden, wir schätzen unsere türkischen Mitbewohner. Wir werden uns aber nicht von kindischen Beschimpfungen zu irgendetwas bewegen lassen. Je mehr wir bedrängt werden, desto weniger werden wir nachgeben.“

Aber soweit kleben wir nur erste Pflaster auf die eigenen Wunden. Wie kommt man in so einem Fall professionell zu einer vernünftigen Lösung? Es gibt nur einen Weg heraus aus zerstörerischen Konflikten: Das ist der Dialog, gekonnte Kommunikation, mit dem Ziel sich auszutauschen, sich zu verstehen und eine gemeinsame Lösung zu finden, die das Beste für alle Beteiligten ist.

Dazu müssen wir uns aber zunächst gründlich vorbereiten. Wir müssen klären, wie groß das Risiko ist, in ein Konfliktlösungsgespräch zu gehen. Wann sind die Kosten höher? Wenn der Konflikt weiter schwelt oder wenn wir ihn lösen? In den allermeisten Fällen ist es besser, den Konflikt schnell aus der Welt zu schaffen. Wenn ich mich aber einer gefährlichen Übermacht gegenüber sehe (z.B. 3 mit Messern bewaffnet Gang-Typen in der U-Bahn wollen mein Portmonee), kann der Preis für ein Konfliktlösungsgespräch zu hoch sein. Im Falle Ankara erscheint mir der Preis einer langfristig gelebten Feindschaft höher, als der Versuch, das Problem aus der Welt zu schaffen. Wenn ich als Teamleiter gegen einen Bereichsleiter in den Ring steigen müsste, würde ich vorher genau abwägen, wie groß die Gefahr ist, dass er mich über die Klinge springen lässt.

 

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Im nächsten Schritt der Vorbereitung beschäftigen wir uns mit einer Analyse der Situation. Dazu müssen wir die verschiedenen Interessenlagen klären:

  • Das Ich: meine Interessen, meine Emotionen, meine Verhandlungsposition. Was will ich wirklich?
  • Das Er: seine Wünsche/Interessen, seine Emotionen, seine Verhandlungsposition.
  • Das Wir: was wollen wir gemeinsam für unsere Beziehung?

Dabei ist es elementar wichtig, dass ich von meinem hohen Ross herunterkomme. Meine moralische Überlegenheit aufgeben. Aus dem Täter einen Menschen mache. Und mir seine Interessen aus seiner Perspektive als „berechtigt“ ansehe.

Transaktionsanalyse Elternrolle KindrolleEs gibt in der Psychotherapie die Richtung der Transaktionsanalyse. Sie beschreibt, dass wir gerne in gewohnte, allzu bekannte Rollenmuster verfallen. Ein klassisches Rollenmuster ist das Eltern-Kind-Verhältnis. Das haben wir alle im Kindesalter erlebt und verinnerlicht. Begegnet uns eine übermächtige Person, die uns von oben herab kritisiert, maßregelt, erzieht, uns Grenzen setzt, dann fühlen wir uns in unsere Kinderrolle zurückversetzt und reagieren verunsichert oder vielleicht trotzig. In unserem Erdogan-Fall könnte derjenige, der dem anderen hinterherläuft, und dessen Wohlwollen sucht, der Abhängige und damit der Schwächere sein. Abhängigkeit macht unterlegen!

Das gleiche funktioniert auch umgekehrt. Kommt uns ein Gesprächspartner typisch kindisch, unangemessen bockig, schreiend, beleidigend (die türkische Seite), sehen wir das unreife Kind und verfallen in eine Eltern-Rolle, wollen erziehen, fordern und maßregeln. In beiden Fällen ist aber die Kommunikation suboptimal und zum Scheitern verurteilt. Erfolgreiche Kommunikation gibt es nur in einer Konstellation, wenn zwei Erwachsene wie reife Personen auf Augenhöhe kommunizieren! Ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, dann kommen Sie zur Augenhöhe zurück, wenn Sie selbst sich erwachsen und reif verhalten und dem anderen so begegnen, als wäre er reif und erwachsen - selbst bzw. gerade dann, wenn er sich (noch) nicht so verhält. Dieses reife, erwachsene Verhalten wäre jetzt im Falle Erdogan wichtig. Und genau so ein reifes Verhalten ist die richtige Reaktion bei unfairen Spielern in Ihrer Chefetage: also ohne dem Anderen mein Spielzeugauto auf den Kopf zu hauen, weil er auf meines draufgetreten hat.

Analyse auf 3 Ebenen

Ich, meine Interessen, meine Emotionen, meine Verhandlungsposition: Das „Ich“ ist in der Causa Erdogan bereits sehr kompliziert. Vielleicht zeigt sich deshalb das Herumgeeiere der Bundesregierung. Als Deutschland kann ich mir das eigentlich nicht bieten lassen, ich muss meine Souveränität bewahren. Außerdem will Ich als Merkel (Regierung) eine Wahl gewinnen. Dagegen steht die Gefahr der Flüchtlingsdeal könnte platzen. Andererseits, je mehr die Regierung sich erpressen lässt, desto mehr wird sie erpressbar. Dazu kommen handfeste wirtschaftliche Interessen. Die deutsche Wirtschaft will eine Panzerfabrik in der Türkei bauen. Gute Beziehungen wären also mehr als wünschenswert. Die Regierung braucht sie dringend. Das ist die Teufelsküche, in die man kommt, wenn man seine eigenen Werte verrät und sich schon lange von Integrität verabschiedet hat.

Mein Ratschlag an Führungskräfte, im täglichen Krieg auf der Chefetage. Bleiben Sie immer integer. Leben Sie konsequent nach Ihren Werten. Anderenfalls holt Sie das zum falschen Zeitpunkt wieder ein. Und Sie werden leicht erpressbar. Aber dieser Weg ist schwer. Wie kann man jederzeit integer handeln? Geht das überhaupt? Natürlich, doch das hat auch seinen Preis. Wenn man stets integer sein will, muss man öfter als einem lieb ist, leichte Abkürzungen vermeiden. Der Tipp vom Führungskräftecoach: Eine Frage im Selbstgespräch verhilft Ihnen zu integrem Verhalten: „Wäre es mir Recht, dass über mein jetziges Verhalten morgen in der Zeitung berichtet wird?“ Wenn Ihnen so ein Bericht unangenehm wäre, verlassen Sie gerade den Pfad der Integrität. Handeln Sie lieber vorbildlich. Die Bundesregierung kann nur deshalb wiederholt verwerflich handeln, indem vieles – Sitzungen mit Lobbyisten, Waffendeals, Geschäfte mit Diktaturen und Unrechtsregimen etc. – hinter verschlossener Tür, im Geheimen, stattfinden. Denn auch die wollen längst nicht alles was sie tun, am nächsten Tag über sich in der Zeitung lesen. Und leider schafft es tatsächlich vieles nicht in die Medien. Aber: Einmal im Sumpf kommt man schwer wieder raus.

Also, was wollen wir wirklich? Wir wollen unsere Souveränität, statt uns beschimpfen und erpressen zu lassen. Anderseits wollen/brauchen wir gute Beziehungen. Wir wollen und stark zeigen. Andererseits wollen wir die Einhaltung unsere Werte unter Beweis stellen. Das Bedeutet, keine Unterstützung einer Autokratie, keine Förderung einer Diktatur, keine Duldung einer Verletzung von Menschenrechten.

Aber Werte werden schnell zu bloßen Lippenbekenntnissen, wenn man sie nicht vorlebt: Und das passiert gerade bei uns, wenn man die Wahlkampfauftritte verbietet. Wir beweisen gerade: Keine Meinungsfreiheit in Deutschland! Tolles Eigentor und Wasser auf die Mühlen des Wahlkämpfers Erdogan.

Jetzt die Gewinnerfrage: Die Alternative wäre doch dann offenbar, ihm zu geben, was wir ihm nicht geben wollen. Ein Sprachrohr für seinen Wahlkampf zur Diktatur. Die Kunst ist manchmal, die richtige Frage zu stellen! Wie können wir Meinungsfreiheit vorleben ohne gleichzeitig eine Diktatur zu fördern? In Ihrem Unternehmenskontext: Was will ich und was will ich nicht? Und wie kann ich das in einer Lösungsorientierten Frage verbinden. Lösungsorientiert ist es nicht, herauszufinden und auszusprechen, was alles nicht geht. Eine Lösungsorientierte Antwort könnte lauten: Wahlkampfauftritte in Deutschland nur mit Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt. Ein Auftritt eines türkischen Regierungsmitgliedes, immer verbunden mit einer demokratischen Diskussion, einer Gegenrede einer Vertretung der Opposition. Ok, das wäre eine spannungsgeladene Veranstaltung, aber das ist jedes Bundesliga-Fußballspiel auch.

 

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Er: seine Wünsche/Interessen, seine Emotionen, seine Verhandlungsposition:

Die Psychologie sagt: Jedes Verhalten wird belohnt. Ein Beispiel dazu: Wenn ein Kind beim Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel, kurz vorm verlieren ist, und dann in einem Tobsuchtsanfall alle Figuren vom Spielbrett fegt, wird es meistens von den Eltern zur Rede gestellt, von den Mitspielern mit Missbilligung gestraft. Trotzdem handelt es so. Einfach nur plumpe unkontrollierte Emotion? Wo ist da die Belohnung? Die Belohnung liegt darin, dass das Kind so, wenn niemand gewinnt, auch nicht verlieren musste. Dieser Sekundär-Gewinn war den zu erwartender Ärger mit den Mitspielern offenbar wert. Und Erdogans Gewinn? Im Moment verkauft er seinen Wählern Stärke. Eine gute Gelegenheit, und einfache Übung, gegen eine EU, die er im Würgegriff hat. Egal, wie die EU reagiert, er gewinnt.

Es sieht beinahe so aus als wäre er in der besseren Verhandlungsposition. Aber ist das wirklich so? Was hätte er zu verlieren? Zunächst seine Wahl zum Präsidialsystem. Dort hat er Angst zu verlieren. Das ist der Grund, warum er so heftig mit harten Bandagen kämpft. Dann könnte er Ansehen verlieren. Beachten Sie die Botschaft, die man senden könnte, wen man sagt: „Wen interessiert so ein kleiner unbedeutender Erdogan und sein kindisches Gezetere?“. Was ist mit seinem Versprechen an sein Volk, die Visafreiheit für die Türken zu erreichen? Was ist mit den Milliardenförderungen aufgrund der EU-Beitrittsverhandlungen? Wie wertvoll ist ihm eine NATO-Mitgliedschaft? Überall hier ist er angreifbar.

Das Wir: Common Ground und „was wollen wir gemeinsam für unsere Beziehung“?

Noch bevor wir in das diplomatische Konfliktlösungsgespräch gehen können, müssen wir eine Situation schaffen, in der der Konfliktgegner überhaupt ein Interesse entwickelt, mit uns zu reden und zu verhandeln. Dieser Punkt wird oft übersehen. Aber: Wenn der Andere nicht kooperieren will, sind die besten Kommunikations-Tools nutzlos. Wir brauchen Common-Ground: Das bedeutet ein grundsätzliches gemeinsames Interesse. Irgendeines! Nur wenn wir unserem Gesprächspartner so ein gemeinsames Interesse in Aussicht stellen können, bekommen wir seine Gesprächsbereitschaft. Können wir das nicht, sieht er nur, dass wir mit ihm verhandeln willen, um unsere Interessen durchzusetzen. Warum sollte er dabei kooperieren?

Ein häufig gut funktionierender Common Ground im Businesskontext ist: „Wir müssen doch noch lange zusammenarbeiten. Wir haben gemeinsame Konkurrenten. Sorgen da nicht gute Beziehungen für eine angenehmere Zusammenarbeit und bessere Ergebnisse für uns beide?“

Aber das klappt nicht immer: Im Falle Erdogan ist „Wir wollen doch eigentlich eine gute Zusammenarbeit.“ unwirksam. Erdogan braucht die gute Zusammenarbeit nicht so dringend. Er zeigt Allmachtsbestrebungen, kombiniert viel Kalkül. Solange sein Einfluss wächst, sind ihm die Beziehungen zu uns egal. Wie man derzeit sieht!

Was ist der Wunsch hinter Erdogans Wahlkampf in Deutschland? Er will seine Macht und seinen Einfluss mehren. Erdogan bekommt man wahrscheinlich nur an den Verhandlungstisch, wenn man zeigt, dass sein Einfluss auch in unserem Interesse ist oder alternativ, wie sein derzeitiges Verhalten seinem Einfluss schadet (was wesentlich schwieriger ist). Später kann man ihm dann vielleicht klar machen, dass er unsere Unterstützung aber nur mit Kooperation und gemäßigtem Umgang erreichen kann. Aber erst nach dieser gründlichen Vorbereitung und mit Common Ground besteht überhaupt Hoffnung auf ein konstruktives Konflikt-Gespräch.

Ab hier sind Konfliktgespräche so etwas wie Verhandlungen. Wir erinnern uns. In Konflikten gibt es gegenläufige Interessen, die nicht gleichzeitig verwirklicht werden können. Und es sind Spannungen im Spiel. Konfliktgespräche sind heikel, sie können sich sehr schnell emotional hochschaukeln. Deswegen gilt für Verhandlungen und Konfliktgespräche folgende Regel, die auch von der Mathematik, namentlich der Spieltheorie gestützt wird. Das erwünschte Verhalten (z.B. jede Form von Verhandlungsbereitschaft) muss sogleich mit Entgegenkommen belohnt werden. Unerwünschtes Verhalten muss sofort geahndet werden. Gewiefte Verhandler tun das mit subtilen Mitteln: z.B. Raumtemperatur, Essen, Getränke.

Andererseits muss der Verhandlungspartner immer das Gefühl haben, grundsätzlich unter Freunden zu sein. Manche Menschen verhandeln auch auf der Beziehungsseite sehr hart. Erst recht, wenn der Verhandlungsgegner rücksichtslos lospoltert wie Erdogan. Erfahrene Verhandler berichten aber immer wieder davon, dass sie bessere Verhandlungsergebnisse bekommen, wenn Sie für eine sehr angenehme Atmosphäre sorgen, viel lächeln, den Verhandlungspartner respektvoll behandeln, ihn in Sicherheit wiegen. Kommunikationstrainer benutzen auch den Begriff „Rapport“. Darunter muss das „sich durchsetzen“ nicht leiden. Im Gegenteil. Exzellente Verhandler nutzen den Grundsatz „Hart in der Sache, sanft im Ton.“

In der Verhandlung/im Konfliktgespräch geht man dann auf die Suche nach Win/Win. Schließlich will ja keiner verlieren. Dem Erdogan müsste man hier verkaufen, dass er mit Kooperation und gemäßigtem Umgang viel Entgegenkommen bekommen kann (Visafreiheit, Beitrittsverhandlungen, Flüchtlingsdeal), auf diese Weise also mehr Einfluss haben wird, als mit einer weltweit isolierten Türkei (Abbruch der Beitrittsverhandlungen, Ausschluss aus der Nato). Nur dazu muss die (entscheidungsschwache) EU auch bereit sein. Denn wie bei jeder Verhandlung gilt: die eigene Linie hat einen Preis. Entweder der andere steigt auf das Angebot ein, oder kein Geschäft. Kein Geschäft bedeutet hier für beide Seiten, kein Flüchtlingsdeal und schlechte Beziehungen, weniger Handel, weniger Einfluss.

Heißt das jetzt Kuschelkurs: ich muss mir alles gefallen lassen.

Ganz und gar nicht. Jedes Fehl-Verhalten muss Konsequenzen haben. So wird bei missliebigem Verhalten von Staaten der Botschafter einbestellt, öffentlich gerügt, Vorzüge werden verwehrt oder zurückgenommen, Einreisegenehmigungen nicht erteilt, im Extremfall werden die diplomatischen Beziehungen abgebrochen, und Sanktionen beschlossen. Konsequente Reaktionen sind wichtig. Sie beinhalten nur eine extrem große Gefahr: die Gefahr der weiteren Eskalation. Deshalb ist die wichtigste Regel bei diesen Konsequenzen: maßhalten. Greifen Sie niemals höher, als Ihr Streit-Gegner. Sonst steuern Sie auf ein böses Ende zu.

Eskalation eines Konfliktes

Da wir oben schon gesehen haben, dass wir immer das Gespräch suchen müssen, und zwar zeitnah, nutzen wir diese Gespräche, um die Reaktionen zu thematisieren. In der „Verhandlung“ finden wir dann immer eine Vereinbarung. Und an jede Vereinbarung wird eine zusätzliche Vereinbarung darüber gekoppelt, was geschieht, wenn die gefundene Einigung von einer Seite nicht eingehalten wird.

Dabei gilt eine zweite eiserne Regel: Niemals drohen!!! Jede Drohung an sich ist bereits ein Akt der Gewalt. Der Andere wird die Drohung bereits als Angriff werten und „zurückschlagen“. Stellen Sie statt dessen immer gleich die Rücknahme der bereits ergriffenen Sanktionen in Aussicht.

Seien Sie „nicht angreifbar“

Insbesondere wenn Sie fälschlich Beschuldigt werden – vielleicht vor Ihrem Vorstand. Nutzen Sie die Gelegenheit, sich offen zu zeigen. Öffnen Sie Ihre Ritterrüstung und gewähren Sie Einblick. Sie haben nichts zu verbergen. Sie können aber gleichzeitig Ihren Gegner auffordern, das gleiche zu tun. Wenn ihn das unvorbereitet trifft, wird nicht dazu bereit sein. Stellen sich die Reaktion der Bundesregierung vor. „Lieber Erdogan, danke für den Hinweis auf Nazimethoden. So etwas darf auf deutschem Boden keinesfalls geschehen. Wir laden die Weltgemeinschaft ein, uns - und auch die Türkei - mit gleichem Maß zu prüfen. Suchen Sie bei uns nach inhaftierten Journalisten, suchen Sie bei uns nach einer mundtot gemachten Opposition, suchen Sie bei uns nach einer systematisch verfolgten Bevölkerungsgruppe. Und dann möge die Weltöffentlichkeit darüber urteilen, wer von uns beiden Nazimethoden einsetzt. Wir sind bereit uns diesem Urteil zu stellen!“

Fazit, so reagieren Sie souverän auf harte Angriffe:

  • Tun Sie dem Angreifer nicht den Gefallen, sich verletzen zu lassen. Weichen Sie den Pfeilen aus. Vermeiden Sie zu harte emotionale Reaktionen. Reagieren Sie immer reif und erwachsen.
  • Vermeiden Sie Eskalation, suchen Sie die Deeskalation.
  • Laufen Sie der anderen Seite nicht hinterher. Zeigen Sie sich unabhängig. Bleiben Sie auf Augenhöhe.
  • Bleiben Sie glaubwürdig. Handeln Sie immer integer und leben Sie Ihre eigenen Werte vor.
  • Stellen Sie klar, stellen Sie richtig, konsequent aber ohne viel Kampf und ohne sich zu verteidigen. Jede Rechtfertigung/Verteidigung schwächt Ihre Position.
  • Seinen Sie in Verhandlungen hart in der Sache, sanft im Ton.
  • Reagieren Sie auf das Verhalten Ihrer Verhandlungs-Gegenseite. Auf negatives Verhalten sanktionieren Sie ohne zu eskalieren. Auf Positives reagieren Sie entgegenkommend ohne gleich nachzugeben.

So könnte die Bundesregierung auf Nazivergleiche mit kleinen Nachteilen für Erdogan regieren:

Unabhängige, klare Botschaften senden.

„Wir lieben die Türken, aber von kindischen Beschimpfungen lassen wir uns nicht beeinflussen. Verhaltet euch bitte erwachsen.“

„Meinungsfreiheit selbstverständlich, aber je mehr ihr uns beschimpft, desto weniger werdet ihr erreichen.“

„Kooperation mit den Türken grundsätzlich gerne, aber Erdogan isoliert die Türkei international.“

Eine souveräne Reaktion verschafft einem mehr Respekt und Ansehen als ein blindwütiger Kampf. So könnte eine souveräne Reaktion durchaus auch Einfluss auf den Wahlkampf in der Türkei haben. Jedes kindische Kontra würde Erdogan stützen.

 

 

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Peter Rach

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